Die Größen der Technik

<< zur Namensliste

Carl Friedrich Christian Mohs

Carl Friedrich Christian Mohs kommt am 29. Januar 1773 am nordöstlichen Rande des Harzgebirges im Marktflecken Gernrode zur Welt. Gernrode ist seit seiner Entstehung im 10. Jahrhundert im Besitz des dort ansässigen Damenstiftes und der jeweiligen Äbtissin unterstellt. Ab 1709 gehört Gernrode zum askanischen Fürstentum Anhalt-Bernburg. Die Familie Mohs ist hier schon länger ansässig, der Vater ist Kaufmann, der väterliche Großvater war hier Kämmerer und Chirurg, der mütterliche Hof- und Oberprediger. Friedrich ist das erste der sechs Kinder der Eheleute August Emanuel Christian Mohs und Wilhelmine Elisabetha Stark. Über seine Kindheit ist wenig überliefert, außer, dass Friedrich ein guter Schüler war und dazu bestimmt wurde, das väterliche Geschäft zu übernehmen.


Diese Büste von Mohs wurde im Jahre 1843 im Joanneumshof (Raubergasse 10) aufgestellt.
Foto: Dank an Martin Dietzel.

In dieser Erwartung arbeitet er auch nach der Schule einige Jahre dort, bis er sich im vergleichsweise hohen Alter von 23 Jahren dazu entschließt, im etwa 100 km entfernten Halle an der 1693 gegründeten Universität naturwissenschaftliche Fächer zu belegen und nach zwei Jahren an die Bergakademie in Freiberg zu wechseln, wo der berühmte „Vater der Neptunisten“, Abraham Gottlob Werner (1749 – 1817), Mineralogie und Geognosie lehrt. Werner ist der Ansicht, dass die gesamte Erdoberfläche mit Ausnahme der jungvulkanischen Laven und Tuffe aus dem Wasser kommt, eine Ansicht, die sich stark an der biblischen Schöpfungsgeschichte und der Sintflut orientiert und in James Huttons (1726 – 1797) „Plutonisten“ ihren Gegensatz findet, für den die meisten Gesteine Erstarrungsprodukte glutflüssiger Massen vulkanischen Ursprungs sind. Dieser Wettstreit wird später von Georges Cuvier auf der Seite der Neptunisten mit der Kataklysmentheorie und Charles Lyell auf der Seite der Plutonisten mit der Gradualismustheorie weitergeführt und hat auch einen starken Einfluss auf Darwins Evolutionstheorie. Heute teilt man die Gesteine in magmatische Gesteine (Erstarrungsgesteine wie Granite und Basalte), Sedimentgesteine (über Wasser, Wind oder Eis abgelagerte Gesteine wie Kalk- und Sandstein) und metamorphe Gesteine, die ein Produkt der Umwandlung vormaliger Gesteine sind (z.B. Gneis und Marmor).

Abraham Gottlob Werner klassifiziert die Mineralien nach einer empirisch-deskriptiven Methode, die heute zwar nicht mehr gebräuchlich ist, aber Carl Friedrich Mohs stark beeinflusst. Bei Werner, der viele Studenten aus ganz Europa und sogar aus Übersee anzieht, lernt er den schottischen Mineralogen George Mitchell kennen, der ihm anbietet, mit ihm zusammen eine nach dem Freiberger Vorbild gestaltete Bergakademie in Dublin aufzubauen - ein Plan, dessen Umsetzung sich zunächst in die Länge zieht und dann durch den vorzeitigen Tod Mitchells vereitelt wird. In der Zwischenzeit erscheint Mohs´ erste große und auch vielbeachtete Publikation, nämlich eine sehr genaue Schilderung der Freiburger Grube „Himmelsfürst“ als Leitfaden für das Bergbaustudium.

1802 wird Mohs als Schüler von Werner eingeladen, in Wien die umfangreiche Mineraliensammlung des reichen holländischen Bankiers Jacob Friedrich van der Nüll zu ordnen und zu beschreiben. Van der Nüll ist mit der 30 Jahre jüngeren Theresia Schwab aus einflussreicher Familie in Wien-Währing verheiratet. Ihr jüngstes Kind wird der 1812 geborene Wiener Ringstraßenarchitekt Eduard van der Nüll sein, dessen Ehrengrab heute am Wiener Zentralfriedhof wiederum genau neben dem von Mohs zu finden ist. Friedrich Mohs nimmt die Ordnung der van der Nüll´schen Sammlung nach der Wernerschen Systematik vor, die jedoch bald an ihre Grenzen stößt, was Mohs´ bereits vorher bestehende Zweifel an der Systematik des von ihm hochgeschätzten Lehrers bestärkt und ihn nach besseren Grundlagen suchen lässt. Mohs sucht den Kontakt zu Werner, um seine Vorschläge mit ihm zu diskutieren und einen wissenschaftlichen Konsens zu suchen, aber zu seiner großen Enttäuschung verläuft die schriftliche Debatte im Sande.

Verschiedene kürzere Tätigkeiten in Bergbaugebieten zwischen Sachsen und Kärnten und kleinere Publikationen werden von ausgedehnteren Reisen unterbrochen. Eine solche führt den Sachsen Mohs im Auftrag der österreichischen Regierung durch die habsburgischen Erblande, die er auf Porzellanerdenvorkommen untersuchen soll. Bei dieser Tätigkeit lernt er 1810 Erzherzog Johann kennen, der soeben im Begriffe ist, durch die Schenkung seiner Mineraliensammlung an die steirischen Stände die nachmalige TU Graz zu gründen. Johann beruft Mohs zur Neuordnung seiner Sammlung nach Graz. Hier beschließt Mohs nun, die unzufriedenstellende Methode der Wernerschen Systematik durch eine streng naturwissenschaftliche im Linné´schen Sinne zu ersetzen. In diesem Jahr wird Mohs auch zum Professor für Mineralogie an das am 26. November 1811 gegründete Joanneum berufen.

Mohs ist der Ansicht, dass die physikalischen Eigenschaften der Mineralien, nämlich Härte, Form, Sprödigkeit und spezifisches Gewicht, zu einer Systematik ausreichend sind, und verzichtet in scharfem Gegensatz zu den Erkenntnissen seines schwedischen Zeitgenossen Jöns Jacob Berzelius auf die Hinweise, die das chemische Verhalten und die chemische Zusammensetzung der Mineralien geben. So ist die stark an der Nomenklatur des Botanikers Carl von Linné orientierte logische Bezeichnungsweise von Mohs auf die aktuelle Mineralsystematik nicht übertragbar. Die heute im deutschen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Hugo Strunz basiert auf der chemischen Zusammensetzung, während die im englischen Sprachraum übliche Systematik nach J. D. Dana die Kristallsstruktur als erste Unterscheidung heranzieht.

Bleibendes hingegen schafft Mohs auf dem Gebiete der Kristallographie. Denn er erkennt die Wichtigkeit der Kristallstruktur für die Systematisierung der Minerale und fügt zu ihrer Beschreibung und Klassifizierung den vom Kristallographen der Berliner Universität, Christian Samuel Weiss (1780 – 1856), zur Beschreibung des Kristallaufbaus verwendeten Achsen noch zwei weitere hinzu, die jedoch nicht senkrecht, sondern in schiefwinkeligen Koordinatensystemen geneigt zueinander stehen. Sie werden 1824 von Karl Friedrich Naumann beschrieben und erhalten die Bezeichnungen monoklines und triklines Kristallsystem.

Bereits in Graz, 1812, teilt Mohs die Mineralien nach einer zehnstufigen relativen Härteskala ein, in der das jeweils nächst härtere Mineral das vorhergehende ritzt. Gleich harte ritzen einander nicht. Es kann nur die relative Härte ausgedrückt werden, nicht die physikalische. Mohs ordnet die Verhältniszahlen leicht zugänglichen Mineralien zu, wobei die Härteunterschiede zwischen diesen nicht linear sind. 1925 wird die Vickers-Härteprüfung zur Prüfung harter und gleichmäßig aufgebauter oder auch oberflächengehärteter Werkstoffe entwickelt (Vickers war bedeutender britischer Maschinenbau- und Rüstungskonzern). Ein pyramidenförmig geschliffener Diamant wird mit einer vorher definierten Prüfkraft (in Kilopond) in das zu prüfende Werkstück gedrückt. Das Verhältnis von Prüfkraft zu Eindruckstiefe ergibt dann die Härtezahl. Die Einteilung lautet:

Härteskala nach Mohs Bezugsmineral Materialien ähnlicher Härte   Härte nach Vickers (HV)
1 Talk Graphit, Blei Mit dem Fingernagel schabbar 2,4
2 Gips Steinsalz Mit dem Fingernagel ritzbar 36
3 Calcit (Kalkspat) Gold, Silber, Kupfer Mit einer Kupfermünze ritzbar 109
4 Fluorit (Flussspat) Platin, Eisen Mit einem Messer leicht ritzbar 189
5 Apatit Asbest, Mangan, Stahlklinge gerade noch mit einem guten Messer ritzbar 536
6 Orthoklas (Feldspat) Opal, Türkis, Zahnschmelz mit einer Feile ritzbar 795
7 Quarz Amethyst, Granat, Jade, Tigerauge kann mit einer Stahlfeile noch zerkratzt werden, ritzt selbst Fensterglas 1120
8 Topas Aquamarin, Smaragd mit Mineralien ab dem 8. Härtegrad kann man Funken schlagen, und das nächsthöhere ritzt das tieferstehende 1427
9 Korund Saphir, Rubin, Chrom   2060
10 Diamant gehärtetes Metall   10060

Diese Graphik zeigt die Beziehung zwischen der linearen Ritzhärte nach Mohs und der proportionalen Mikrohärte nach Vickers.

Im Rahmen seiner Tätigkeit in Graz ordnet Friedrich Mohs nicht nur die Mineralien der erzherzoglichen Schenkung, sondern erforscht auch die Steiermark systematisch nach geowissenschaftlichen Gesichtspunkten. Dies ist nicht nur wissenschaftlich motiviert, sondern auch wirtschaftlich: So kann der teure Import von chromgrüner Farbe durch steirische Chromeisensteinfunde ersetzt werden, die immer in Verbindung mit Serpentinit auftreten.

Die geognostisch aufgestellte Sammlung steirischer Gebirgsarten nach deren topographischen Vorkommen in den fünf steirischen Kreisen folgt dem Werner´schen System, die vaterländische Mineraliensammlung hingegen dem Mohs´schen. Die Aufstellung der beiden Sammlungen besorgt er zusammen mit seinem Schüler und späteren Nachfolger im Hofmineralienkabinett Wilhelm von Haidinger, und seine systematischen Überlegungen legt er seinem Freiberger Studienkollegen, dem Schotten Robert Jameson, vor, der sie unter dem Titel General reflections on Various import subjects on Mineralogy herausgibt. Mohs trifft 1817 auf einer Englandreise nicht nur diesen alten Freund, sondern auch dessen Kollegen aus der Royal Society of Edinburgh, einer im Geiste der Aufklärung entstandenen wissenschaftlichen Gesellschaft von hohem Ansehen.


handschriftliche Notizen von Friedrich Mohs in der Mineralogieabteilung des Landesmuseums Joanneum.
Thanks to Harry Bhadeshia FRS, who took the photo.

Zu seiner großen Ehre und Freude wird Mohs auf die durch den Tod Werners im selben Jahre freigewordene Stelle als Berg- und Commissionsrat und Professor für Mineralogie an die königlich-sächsische Bergakademie Freiberg berufen, so dass seine Grazer Tätigkeit als Professor der Mineralogie von Mathias Anker übernommen wird. In Freiberg entsteht auch sein berühmtestes Werk, Grundriss der Mineralogie (1822 – 1824).

Bereits 1826 wird Mohs als Professor für Mineralogie an die renommierte Universität Wien berufen, wo er neben seiner Lehrtätigkeit auch mit der Neuaufstellung der Mineraliensammlung des Hofmineralienkabinetts befasst ist, das ihm für seine Vorlesungen zur Verfügung steht, weil er die Sammlung an der Universität als dafür nicht geeignet ansieht. 1827 wird die in der Zwischenzeit sehr erweiterte Mineraliensammlung des Bankiers van der Nüll, die Mohs 25 Jahre vorher bereits geordnet hatte, vom Hofmineralienkabinett aufgekauft.. Die Leitung von Mineralienkabinetten übertragen zu bekommen scheint von Mineralogen mitunter als Strafe aufgefasst worden zu sein, insbesondere dann, wenn dies mit einer Katalogisierung und Beschreibung der Sammlung verbunden war. So lehnt Christian Samuel Weiss als Leiter des Mineralogischen Museums der Berliner Universität beharrlich eine Katalogisierung als „allertrübseligste und nutzloseste Scheinarbeit, die jedes andere Arbeiten auf Jahre hinaus unmöglich“ macht, ab und überträgt sie seinen besten Schülern.

Erst 1828 heiratet der sächsische Protestant Friedrich Mohs die Katholikin Josephine Fiala, die Ehe bleibt kinderlos. 1834 erhält Mohs zusätzlich zu seiner Professur eine der frei gewordenen Kustodenstellen am Mineralienkabinett und wird 1835 zum k. k. Bergrat bei der Hofkammer für Berg- und Münzwesen ernannt. In dieser Stellung bereist er Schemnitz, Salzburg, Tirol, Italien und Kärnten, und danach Böhmen und Sachsen. Zweck dieser Reisen ist einerseits das Sammeln von Mineralien zur Vervollständigung einer mineralogisch-geognostischen Zentralsammlung in Wien, und gleichzeitig verfasst er auf Basis seiner Erfahrungen eine Anleitung zur Prospektion von Lagerstätten und eine Beurteilung ihrer Bauwürdigkeit. Junge Bergeleven, Absolventen der Schemnitzer Akademie in ihrer Tätigkeit als k. k. Bergbeamte, begleiten ihn auf diesen Reisen.

Trotz gesundheitlicher Beschwerden macht sich der inzwischen 65Jährige zu einer Studienreise nach Italien zur Untersuchung des Vulkanismus auf. Die eingangs erwähnte Debatte über die Entstehung der Erdkruste ist ja immer noch in vollem Gange. Mohs kehrt nicht mehr von dieser Reise zurück. Nach sechswöchiger Krankheit stirbt er am 29. September 1839 am Fuße des Marmolada-Gletschers in den Armen eines seiner Schüler, und wie es die Legende will, in denen seines Nach-Nachfolgers als Professor für Mineralogie am Grazer Joanneum, Georg Haltmayer.


Mohs nach einer Lithographie Josef Kriehubers 1832

Nach 26 Jahren in italienischer Erde, wo er als Protestant nur außerhalb der Friedhofsmauern von Agordo ruht, werden seine sterblichen Reste wieder ausgegraben und auf den evangelischen Friedhof Wien-Matzleinsdorf verbracht, wo er in quasi unmittelbarer Nachbarschaft des Mathematikers Simon Stampfer, der ein Jahr zuvor am katholischen Friedhof Matzleinsdorf nur zwei Querstraßen weiter beerdigt wurde, seine zunächst letzte Ruhe findet. Die Aufschrift auf seiner Gruft mit der Nummer 4 lautet: Mohs Friedrich, geboren zu Gernroda, dem unvergänglichen Andenken, dem tiefsinnigen Begründer der naturhistorischen Methode. Errichtet von seinen Verehrern. 1866.

Wien wächst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts extrem, was nicht nur durch hohe Geburtenzahlen und einen erheblichen Rückgang der Kindersterblichkeit infolge der Bekämpfung des Kindbettfiebers durch Ignaz Philipp Semmelweis zu erklären ist, sondern auch durch verstärkten Zuzug, vor allem aus Böhmen. Aber nicht nur die Stadt platzt aus allen Nähten, sondern auch die Friedhöfe. In den 1870er Jahren wird daher in Simmering mit dem Zentralfriedhof eine Totenstadt errichtet, die wegen ihrer unpersönlichen Größe und der Ferne zur Stadt nicht beliebt ist, bis die Stadtväter die gute Idee haben, von der Stadt finanzierte Ehrengräber zu errichten.

Der städtische Archivdirektor Karl Weiß erhält den Auftrag, 1877 und nochmals 1880 eine Inventarliste möglicher Ehrengrabkandidaten aller Wiener Friedhöfe zu erstellen, die heute noch in Magistratsabteilung  8 0 (MA 8) aufbewahrt wird. Darin ist auch Friedrich Mohs verzeichnet, und so kommt es, dass dieser nun seit 1888 ein Ehrengrab in der Abteilung 32 A beim Tor 2, gleich neben dem Sohn seines ersten Wiener Auftraggebers, dem Ringstraßenarchitekten Eduard van der Nüll, begraben liegt.

Das Mineral Mohsit wird ihm zu Ehren bekannt, jedoch später als Varietät des Crichtonit erkannt und daher diskreditiert.