Vorgeschichte, Gründung, Aufbau und Entwicklung der TU Graz im Zeitstrahl

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Vierte Etappe: Räumliche Konsolidierung: Die „Alte Technik“ entsteht

Der erste Ort des Unterrichts am Joanneum war das heutige Joanneumsgebäude in der Raubergasse. Es steht an der Stelle des früheren „Rauberhofes“ und hatte eine Reihe verschiedener Besitzer, unter anderem das Stift St. Lambrecht (= „Lambrechter Hof“), aber auch die steirischen Stände, die es vor 1600 kurz als Wohnhaus für die Studierenden der protestantischen Stiftsschule nutzten, sowie zuletzt die Grafen Leslie (= „Lesliehof“), nach deren Aussterben 1802 es Johann Carl Fürst von Dietrichstein erbte, der allerdings in Wien lebte und es nicht benutzte.

Die Wahl Erzherzog Johanns fiel auf dieses Gebäude, weil es insbesondere auch ausreichend Platz für die Anlage des botanischen Gartens bot (dieser reichte vom heutigen Joanneumsgebäude bis zum heutigen Joanneumring).

Der Kauf des Gebäudes für die Stiftung des Erzherzogs sollte ursprünglich aus dem Studienfonds (= aus Staatsmitteln) erfolgen, jedoch konnte mit der Wiener Behörde keine Einigung erzielt werden: Es sollte jedenfalls ein repräsentatives Gebäude ausgewählt werden – im Gespräch waren u.a. das Zeughaus, das Ferdinandeum, das ehemalige Jesuiten-Gebäude im Anschluss an die heutige „Alte Universität“ etc. – aber in allen Fällen wären höchst komplizierte Umsiedlungen erforderlich gewesen.

Im Frühjahr 1810 beschlossen daher die steirischen Stände, ein Gebäude auf eigene Kosten zu erwerben, wozu sie am 17. Oktober 1810 die Genehmigung des Kaisers erhielten, der den vorgeschlagenen Lesliehof auf Vermittlung seines Bruders des Erzherzogs zuvor sogar selbst besichtigt hatte.

Der eigentliche Kaufvorgang war überaus kompliziert: Zunächst bestand Fürst Dietrichstein auf dem Verkauf in Form einer öffentlichen Versteigerung. Nach deren Durchführung wurde diese aber aus der Umgebung des Fürsten beeinsprucht, sodass die Rechtmäßigkeit des Erwerbes durch die steirischen Stände gerichtlich bestätigt werden musste. Durch die Dauer des Gerichtsverfahrens war der Kauf zum Zeitpunkt des Staatsbankrotts 1811 noch nicht abgeschlossen und die steirischen Stände mussten daher zusätzlich eine durch die Währungsverluste begründete Nachzahlung akzeptieren.

Eine erste Erweiterung erfolgte bereits 1840, allerdings nicht in Graz, sondern in Vordernberg, im Zusammenhang mit der Lehrkanzel für Berg- und Hüttenwesen. Zu diesem Zweck wurde ein eigenes Gebäude errichtet, das mit der Einrichtung einer selbständigen Montanlehranstalt 1848/49 ausgegliedert wurde.

Das Grazer Joanneumsgebäude wurde etwa 30 Jahre nach dem Ankauf zu klein für den zunehmenden Unterricht. Insbesondere für die Vorlesungen aus Mathematik ab 1842 und aus Baukunde mussten Provisorien eingegangen werden. Ab 1848 wurden mehrere Privatwohnungen in der Stadt angemietet, dem Erzherzog selbst wurde als Lösung des Raumproblems kurz vor seinem Tod noch ein Zubau bzw. eine Aufstockung des Joanneumsgebäudes vorgeschlagen. Dazu ist es allerdings nicht mehr gekommen, die Raumfrage blieb noch für fast 30 Jahre  ungelöst.

In dieser Zeit wurde eine Reihe ganz unterschiedlicher Lösungsansätze verfolgt: Zunächst war man sich im Landesausschuss rasch einig, dass für die Technische Hochschule nur ein Neubau in Frage kommt. Zu diesem Zweck wurden noch in den 1860er Jahren die Gründe um das ehemalige „Neuthor“ an der Grazer Festungsmauer (heute Neutorgasse) angekauft und die entsprechenden Planungsarbeiten begonnen.

Nach deren Abschluss starteten jedoch die Verhandlungen betreffend die Übernahme der Hochschulen an die staatliche Verwaltung. Der Neubau wurde damit zu einer Angelegenheit der Regierung in Wien, die ihre Zusage jedoch an eine Beteiligung des Landes knüpfte, die dieses auch bereit war einzugehen.

Im Lauf des Jahres 1874 wurde die anstehende Versteigerung der Baron Mandell’schen Gründe in der Rechbauerstraße bekannt, die Gründe konnten aber aus Kostengründen nicht erworben werden. Daraufhin wurden – erfolglos – alternative Standorte in der Naglergasse und im Anschluss an die entstehenden Gebäude der Karl-Franzens-Universität untersucht und so 1875 schließlich doch noch die Baron Mandell’schen Gründe ihrem gerade erst neuen Besitzer wieder abgekauft.

Die Neubau-Planungen begannen daraufhin „wieder von vorne“. Da die Vorstellungen des Professorenkollegiums entsprechend „großzügig“ waren, begann ein komplizierter Abstimmungsprozess: Das Ministerium verlangte Reduktionen, die Professoren forderten im Gegenzug ein eigenes Gebäude für die chemische Fachschule, für das allerdings erst ein angrenzendes Grundstück zusätzlich erworben werden musste. Daraufhin thematisierte das Ministerium wieder die Standortfrage – immerhin war für die Universität Graz ein Chemiegebäude am damals neuen heutigen Universitätsstandort zwischen Halbärthgasse und Universitätsstraße in Planung und es war nicht von der Hand zu weisen, dass Graz für die gleichzeitige Errichtung von zwei Hochschulgebäuden für die Chemie an zwei Hochschulen doch ein bisschen klein war.

Die Professoren erreichten aber dennoch mit allerlei Gutachten 1878 die grundsätzliche Bewilligung für einen eigenen Neubau, Allerdings war es 1881, also drei Jahre später, zur Beschleunigung der Angelegenheit erforderlich, dass der steiermärkische Landtag den Beschluss fasste, dass das Joanneumsgebäude nur mehr einen begrenzten Zeitraum für die Zwecke der Technischen Hochschule zur Verfügung steht. Es folgten abermals reduzierende Neuplanungen sowie die nochmalige Überprüfung der Vor- und Nachteile einer räumlichen Zusammenlegung mit der Universität Graz, bevor der Kaiser schließlich im Sommer 1884 endgültig den Neubau genehmigte. Der Spatenstich erfolgte am 26. November 1884.

Betreffend das Chemie-Gebäude wurde im Lauf des Jahres 1885 noch ein viertes Mal die Frage der Vereinbarkeit mit dem Chemie-Gebäude der Universität Graz geprüft – der Unterrichtsminister kam sogar selbst zum „Lokalaugenschein“. Im September 1886 erfolgte aber doch die Genehmigung für einen eigenen Standort. Das dann errichtete Gebäude befand sich bis in die 1960er Jahre an der Stelle des heutigen Bibliotheksgebäudes in der Technikerstraße.

Die Eröffnung des Hauptgebäudes in der Rechbauerstraße erfolgte am 12. Dezember 1888 in einem großen Festakt, dem auch der Kaiser beiwohnte, das Chemiegebäude ging 1889 in Betrieb – damit ist das Hauptgebäude der TU Graz um einige Jahre älter als sein Pendant an der Universität Graz, das seit Jahrzehnten nicht mehr bestehende Chemie-Gebäude in der Technikerstraße aber um ein paar Jahre jünger als sein noch heute existierendes Gegenüber an der Universität Graz.

Schon wenige Jahre nach dem Bezug des Neubaus in der Rechbauerstraße war dieser bereits wieder zu klein: Für das in diesen Jahren neu entstandene Fach der Elektrotechnik und für den Aufbau von Unterrichtslaboratorien neuer Art für den Maschinenbau war keinerlei Platz vorgesehen.

Bereits zur Jahrhundertwende entstand damit wieder eine Standortdiskussion: Die Professoren schlugen 1906/07 dem Ministerium einen gänzlichen Neubau der gesamten Hochschule in der Theodor-Körner-Straße vor. Es wäre dies die vermutlich letzte Chance für einen einheitlichen Campus der Grazer Technik gewesen. Doch das Ministerium entschied sich für eine kleinere Variante: Kauf der an das Hauptgebäude angrenzenden Häuser in der Lessing- und Mandellstraße für zukünftige Erweiterungsbauten, Kauf eines Grundstücks in der Brockmanngasse sowie Anmietung von Räumlichkeiten im Fürstlich Dietrichsteinschen Stiftungshaus in der Schlögelgasse (am selben Ort, an dem unter dem Namen „Mildschuhsches Haus“ schon in den 1840er Jahren das Joanneum für Unterrichtszwecke eingemietet war).

Wolfgang Wallner