Leeb Robert

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Forum Technik und Gesellschaft Förderpreisträger 2009
Kategorie Dissertationen
1. Preis


Titel der Dissertation
Gehirn-Maschinen Kommunikation: Motivation, Absicht und Einfluß von Virtuellen Feedback

Kurzfassung
Eine Gehirn-Maschine-Schnittstelle (BCI) ist ein rückgekoppeltes System, in welchem Feedback (FB) eine sehr wichtige Rolle spielt. Als diese Dissertation begonnen wurde, wurden nur sehr einfache FB-Typen verwendet. Im Gegensatz dazu eröffnen virtuelle Realitäten (VR) einen interessanten und vielversprechenden Weg, um FB-Szenarien zu realisieren. Der Vorteil und Einfluss von solchen wird anhand von vier immer komplexeren Studien untersucht. In allen Studien wurde das Grazer ERD-BCI zur Detektion und Klassifikation von transienten Änderungen im Elektroenzephalogramm durch Bewegungsvorstellung (BV) verwendet.
Studien beginnend mit den Vergleich von traditionellen Feedback und virtuellen Umgebungen, über ziel-orientiertes Agieren, bis zu einer BCI-kontrollierten asynchronen (Benutzer-getrieben) Vorwärtsbewegung, wurden durchgeführt. Schlussendlich demonstrierte die letzte Studie dass es für einen tetraplegischen Patient möglich ist, seinen Rollstuhl durch eine virtuelle Straße nur mittels BV seiner gelähmten Füße zu steuern. Ähnliche Ergebnisse konnten in allen Studien erzielt werden, wobei die besten Leistungen mittels virtuellem FB erreicht wurden.
Nichtsdestotrotz sind für Personen mit Behinderungen (z.B. im Rollstuhl) VR sehr attraktiv. Sie können damit Erfahrungen erleben, die sie entweder schon vergessen oder nie hatten. Darüber hinaus kann man das Simulationspotential von VR nützen, um virtuelle Prototypen zu testen. Potentielle Anwender können diese in einer sicheren und billigen Umgebung testen, bevor sie jemals physikalisch gebaut werden.

persönliche Begründung der gesellschaftlichen Relevanz
Das Forschungsgebiet in dem diese Dissertation erstellt wurde befasst sich mit der Wiederherstellung der Kommunikations- und Aktionsfähigkeit von schwerstbehinderten Personen. Insbesondere Personen mit hoher Querschnittlähmung oder Personen mit degenerativen Nervenerkrankungen (z.B. amyotrophe Lateralsklerose) oder Personen in einem sogenannten Lock-In-State (wacher Geist eingeschlossen in einem gelähmten funktionslosen Körper) könnten davon profitieren. Promintente Beispiele würden Christopher Reeve (Superman), Stephen Hawking (Astrophysiker) oder Jean-Dominique Bauby, der Autor des autobiografischen Romans von „Schmetterling und Taucherglocke“ sein.
Ein sogenanntes Brain-Computer Interface (BCI; eine Gehirn-Maschine-Schnittstelle) kann genau solchen Personen helfen wieder mit Ihrer Umgebung zu kommunizieren. Das Graz-BCI detektiert und klassifiziert transiente Änderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) während einer Bewegungsvorstellung. Dabei wurde das Phänomen der ereignisbezogenen Desynchronisation (ERD) und Synchronisation (ERS) in Echtzeit analysiert, um daraus Steuersignale für zu generieren. Mithilfe solcher Steuersignale können Personen nun ein einfaches Schreibprogramm bedienen oder Neuroprothesen kontrollieren. In einzelnen Spezialfällen wurde dies auch schon eingesetzt.
Im Rahmen dieser Dissertation wurde es nun geschafft das BCI aus den „geschützten Laborbedingungen“ heraus zu Anwendungen im wirklichen Leben weiter zu entwickeln. Insbesondere die Nutzung von drei-dimensionalen virtuellen Umgebungen ermöglichte eine wirklichkeitsnahe BCI-Anwendung.
Ein weiterer großer Schritt in diesem Forschungsgebiet wurde mit dieser Dissertation bewältigt, da es nun möglich ist, nicht mehr dem Computer (dem BCI) den Zeitverlauf bestimmen zu lassen, sondern mit Hilfe eines sogenannten asynchronen BCI (individuell bestimmter Zeitablauf) dem Benutzer die volle Kontrolle geben zu können. Dabei muss das BCI jetzt nicht mehr „nur“ zwischen verschiedene Bewegungsvorstellungen, sondern auch zwischen Bewegungsvorstellungen und der allgemeinen Hintergrundaktivität (dem sogenannten idling oder non-intentional-control state) unterscheiden. D.h. der Anwender kann nun denken was / wann er möchte und nur wenn seine vorbestimmte Bewegungsvorstellung detektiert wird, führt das BCI eine Aktion aus. Dieser neue Ansatz erhöht natürlich die Flexibilität des Anwenders, aber auch die Schwierigkeiten beim Erkennen des „richtigen“ Gedankenmusters.
Im Rahmen von vier Studien wurde die Komplexität Schritt für Schritt erhöht, bis in der abschließenden Studie gezeigt wurde, dass ein tetraplegischen Patient nun in der Lage ist, seinen Rollstuhl nur mittels Gedanken (mittels Bewegungsvorstellung seiner gelähmten Füße) durch eine virtuelle Welt zu steuern.
Insbesondere für Personen mit Behinderungen (z.B. im Rollstuhl) ist diese neue Kombination BCI und virtuelle Umgebungen (VE) sehr attraktiv. Für diese ermöglicht das totale Eintauchen in eine Stereo-Welt, sich nur durch Gedanken zu bewegen und sie können dabei lang vergesse oder neue Erfahrungen machen. Darüber hinaus kann man das Simulationspotential von VE nützen, um virtuelle Prototypen von neuen Navigationsgeräten, Prothesen oder unterstützenden Behelfen zu generieren. Potentielle Anwender haben dabei die Möglichkeit diese in einer sicheren und billigen Umgebung zu testen, bevor sie jemals physikalisch gebaut werden.