Hochgatterer Nikolaus

Dipl.-Ing. Dr.techn.Foto Hochgatterer Nikolaus 

Forum Technik und Gesellschaft Förderpreisträger 2008
Kategorie Dissertationen
2. Preis

Titel
Zellulosechemie in der Lithium-Ionen-Technologie: Integrität von hochkapazitiven, nanostrukturierten Metall- und Halbmetall-Komposit-Anoden
Kurzfassung
Das Streben nach Mobilität und Komfort resultiert in zunehmend ausgereiften Geräten der Telekommunikations- und Unterhaltungselektronik. Diese Entwicklung mündet in enormen Ansprüchen an die Technologie, nämlich die Energiespeicher als Basis dieser Flexibilität. Lithium-Ionen-Batterien haben bewiesen, dass sie als flexibles und wandelbares System einem breiten Spektrum von Anwendungen gerecht werden. Die Zielsetzung der Optimierung sowie die Anpassung derartiger Systeme führt zur Entwicklung neuer Anodenmaterialien hoher Energiedichte sowie spezifischer Energie. Möglichst geringes Gewicht und Volumen gepaart mit maximaler Kapazität bedingt den Einsatz von mit Lithium legierungsbefähigten Metallen und Halbmetallen wie Zinn oder Silizium. Diese unterliegen, einhergehend mit dem Legierungsprozess, einer enormen volumetrischen Dynamik und somit Desintegrationserscheinungen. Derartige Abbaumechanismen werden in der vorliegenden Arbeit mittels bildgebender in-situ Methoden wie Environmental Scanning Electron Microscopy (ESEM) untersucht. Die Ausdehnung der Aktivmaterialien erfordert neben Nano-Strukturierung der Aktivmaterialpartikel und deren Einbettung in puffernde Elektrodenstrukturen, sog. Komposite. Die Integrität dieser dreidimensionalen Netzwerke ist maßgeblich von der polymeren Binderkomponente abhängig. Das Kernthema der vorliegenden Arbeit ist die mechanistische Betrachtung von reaktiven, auf Zellulose basierenden, wässrig prozessierten Bindersystemen. Die Reaktion zwischen funktionellen Gruppen an der Oberfläche von Aktivmaterialpartikeln und dem Binderpolymer wird mechanistisch formuliert und experimentell bestätigt. Dies ist die Grundlage für die Maßschneiderung von Elektrodenbindern sowie die Optimierung der Elektrodenintegrität und Stabilität, der Zyklenlebensdauer sowie der Effizienz des Lithium-Speicherprozesses in Kompositmaterialien. Die abschließende Anpassung des Elektrolytsystems führt zu einer praktisch applikablen, hochkapazitiven Anode für Lithium-Ionen-Batterien.
persönliche Begründung der gesellschaftlichen Relevanz
Kommunikation, Information vor allem in Kombination mit Mobilität und Komfort sind wohl die meiststrapazierten Schlagworte der neuzeitlichen Kultur bzw. Kulturgesellschaft. Der Energiehunger der „kleinen elektronischen Helfer“ wie Mobiltelefonen, Handheld PCs oder auch Laptops die die eingangs genannten Wünsche ermöglichen sollen, schreit förmlich nach leistungsfähigen portablen Energiespeichern. Eine Verstärkung dieser Forderung resultiert aus der, nicht zuletzt ölpreisinduzierten, sich wandelnden Antriebsstrategie im Automobilsektor. Nahezu jeder namhafte Fahrzeugproduzent verweist auf hybridbasierte bzw. elektrifizierte Antriebskonzepte im Produktportfolio. Die neueste, seinem technologischen Zenit entgegensteuernde Batterietechnologie, in Form von Lithium-Ionen-Batterien scheint all die Anforderungen erfüllen zu können. Die evolutionäre Entwicklung, eingeläutet in den 1970-ern des vorigen Jahrhunderts, hat allerdings umweltrelevante Punkte wie ökologische Materialwahl und Produktions-verfahren sowie Entsorgungsstrategien naturgemäß in den Hintergrund gestellt. Der erste Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Substitution teurer, schwierig zu produzierende und ökologisch bedenklicher Fluorpolymere, verwendet als Bindermaterialien in den Batterieelektroden, durch das Naturprodukt Zellulose. Zellulose bzw. das Derivat Natrium-Carboxymethylzellulose ist die Basis für die Verwendung von Wasser anstatt von klimarelevantem Aceton als Prozesslösungsmittel bei der Elektrodenherstellung der Batterie. Besonderes Gewicht erhält dieser Vorteil durch die Tatsache, dass die Prozesslösungsmittel nach der Elektrodenpräparation einer thermischen Entsorgung zugeführt werden. Lösungsmittelreste in den Elektroden werden in Trockenöfen angedampft und in die Atmosphäre abgeblasen. Im Unterschied zur herkömmlichen Technologie reagieren Zellulosederivate mit den implementierten Batterieaktivmaterialien. Ausnahmsweise ist ein nicht innertes Verhalten als ausnehmend positiv zu werten, da alternative schwer zu stabilisierende Materialien mit ausreichender Stabilität in Elektroden verarbeitet werden können. Durch die mechanistische Aufklärung dieser aktiven Elektrodenproduktion ist der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Batterien Tür und Tor geöffnet. Der zweite Schwerpunkt der Dissertation ist den allgegenwärtigen Forderungen im Batteriesektor wie: leitungsfähiger, langlebiger und billiger verschrieben. Ein positiver Nebeneffekt der „grünen“ Batterieproduktion ist eine Steigerung der Kapazität der Energiespeicher durch die mögliche Applikation von nano-Silizium, dem absoluten Wunschmaterial im Batteriesektor. Es wird somit möglich Elektrodenmaterialien mit bis zu 5-fachem Energiespeichervermögen herzustellen und dadurch die Akkulaufzeiten wesentlich auszudehnen. Zusammenfassend betrachtet sind die Resultate der vorgelegten Arbeit die Basis für eine ökologische Herstellung von hochkapazitiven Lithium-Ionen-Batterien. Dies stellt einen weiteren wesentlichen Schritt dar die gesellschaftliche Akzeptanz einer Batterietechnologie zu verbessern. Weiters kann mit der vorgestellten Technologie die Kostenstruktur der Energiespeicher optimiert werden, da Zellulosederivate kostengünstige Massenprodukte sind und Wasser als Prozesslösungsmittel eingesetzt werden kann. Nicht zuletzt ermöglicht das Neudesign der Elektroden eine enorme Steigerung des Energieinhaltes der Batterien und somit längere Telefoniezeiten oder Fahrzeugreichweiten.